Der Schiffsmotor brummt, an Bord herrscht Hektik. Noch ein letztes Mal den Tauchanzug zurechtrücken, Flossen, Maske, Pressluftflasche und Bleigurt anlegen und los: Eine Rolle rückwärts über den Bordrand und schlagartig wird es ruhig. Wie in Zeitlupe sinkt David Hettich in die Tiefen des Ozeans. Nur das Atem-Geräusch und das Knistern von Fischen, die an bunten Korallen knabbern, ist zu hören.  Lichtreflektionen  überziehen wie gleißende Fäden den Meeresboden und bringen den Ozean zum Glitzern. Ein riesiger Makrelenscharm schwebt an Hettichs Kameralinse vorbei – jetzt heißt es, im richtigen Moment abzudrücken, denn der Unterwasserfotograf hat ein ehrgeiziges Ziel: Er will in seiner neusten Live-Reportage alle Ozeane unserer Erde dokumentieren.

1981 inmitten des Schwarzwalds geboren, entdeckte David Hettich bereits im zarten Alter von 13 Jahren eine Leidenschaft, die heute sein berufliches und privates Leben prägt: Die Unterwasserwelt. In seiner Jugend sammelte er taucherische Erfahrung im heimischen Bodensee und auch die Schweizer Bergseen, allen voran der Thuner und Vierwaldstätter See, sind für ihn exzellente Trainingsreviere. Hier lernte Hettich nicht nur die Tauchpraxis, sondern auch, mit Kälte, Dunkelheit und psychischen wie physischen Herausforderungen in der Tiefe umzugehen. Der Tauchabenteurer meint, dass diese frühen Erfahrungen vielleicht das Geheimnis für seine beeindruckenden Bilder der Unterwasserwelt sind: Selbst bei den stärksten Meeresströmungen oder auch wenn er sich inmitten von dutzenden Haien befindet, bleibt Hettich ruhig und gelassen – das sieht man seinen Aufnahmen der Welt unter Wasser an.

In seiner neuen Live-Reportage und dem gleichnamigen Bildband geht David Hettich auf eine unvergessliche Entdeckungsreise durch alle Ozeane der Erde und lüftet viele sagenumwobene Geheimnisse der Weltmeere: Wieso wandern Wale über tausende von Kilometer durch die Ozeane? Bei welchen Tieren werden die Männchen schwanger? Was frisst der größte Hai der Welt? Wieso wandern 40 Millionen Krabben einmal jährlich auf der Weihnachtsinsel gemeinsam an die Küste und wo genau wachsen die größten und teuersten goldenen Südseeperlen im Meer? An über 30 Schauplätzen in aller Welt waren David Hettich und sein Team unterwegs, um diesen und vielen weiteren Geheimnissen nachzuspüren. Während der Produktion gab es viele Höhen und Tiefen – im wahrsten Sinne des Wortes. Tagelang hat Hettich beispielsweise die kleinsten Seepferdchen der Ozeane gesucht. Mit einheimischen Tauchern aus Indonesien hat er Koralle für Koralle abgesucht, um die etwa ein Zentimeter kleinen, perfekt getarnten Tiere zu finden. Auch die Buckelwale der Südsee ließen wochenlang auf sich warten und statt mit Tauchen wurde die Zeit mit Poker und Skat totgeschlagen.

Noch mehr Geduld musste der Fotograf und Filmemacher in Südafrika aufbringen: Drei Reisen hat er seit 2002 an die „Wild Coast“, die südafrikanische Westküste, unternommen, um einem jährlichen Phänomen beizuwohnen: Dem Sardine Run. Auf seiner ersten Reise war das Meer zu stürmisch, um überhaupt die Boote an der Küste ins Wasser zu lassen, seine zweite Reise einige Jahre später war ebenfalls nicht von Erfolg gekrönt: Nur wenige Sardinen verirrten sich im trüben Wasser vor die Kameras. Ein letztes Mal, kurz vor der Veröffentlichung seines Bildbandes ist Hettich im Juni 2010 nochmals ans Kap der guten Hoffnung gereist – die ganze Welt hat zu dieser Zeit nach Südafrika geblickt, allerdings nicht aufgrund der Sardinen, sondern durch die Fußball-Weltmeisterschaft, die gerade stattfand. Davon bekam der Tauchabenteurer wenig mit, er machte sich wieder auf an die wilde Küste und in diesem Jahr sollte seine Geduld und die Anstrengungen endlich belohnt werden: David Hettich und sein Kameramann Alexander Bäuerle erleben hautnah das große Fressen: Hunderte Delfine, Haie und Seevögel stürzen sich auf die riesigen Sardinenschwärme und immer wieder tauchen wie aus dem Nichts die etwa 15 Meter großen Brydewale auf, um sich ebenfalls am reich gedeckten Tisch zu bedienen. Unvergessliche Begegnungen und die Dokumentation eines faszinierenden Schauspiels sind David Hettich nach all den Jahren in Südafrika nun endlich nicht mehr wegzunehmen.

Das Tauchen inmitten von jagenden Haien ist nicht ungefährlich, trotzdem behauptet David Hettich, dass die wenigsten Gefahren auf seinen Reisen von Tieren ausging, sondern vom Meer selbst: Wellen, Strömungen, Sturm und Regen können auf dem offenen Ozean schnell zur Gefahr werden, weil man abgetrieben wird oder vom „Mutterschiff“ nicht mehr gefunden werden kann. Das Tauchteam von Abenteuer OZEAN ist in abgelegenen, strömungsreichen Gebieten wie den Galapagos-Inseln, Mikronesien oder der Isla del Coco im Pazifik deshalb meist mit Funk-Peilsendern getaucht, um nach getaner Kameraarbeit wieder sicher ans Boot zurückzukehren. Jährlich sterben übrigens etwa 10 Menschen durch Hai-Angriffe, wohingegen immer noch über 200 Millionen Haie jedes Jahr der Hai-Mafia zum Opfer fallen, um als vermeintliche Delikatesse – Haifischflossen-Suppe – auf dem Teller zu landen. Aufgrund der unfassbaren Öl-Katastrophe im Golf von Mexiko ist David Hettich in diesem Sommer auch in den Süden der USA gereist, um sich selbst ein Bild vom Ausmaß der Katastrophe vor allem für die Unterwasserwelt zu machen. Er hat mit Meeresbiologen gesprochen und verschiedene Gebiete betaucht, sodass er in seiner Live-Reportage einen Überblick über die aktuelle Situation geben kann. Fest steht, dass es nicht nur die großen Fische, Seevögel und Schildkröten, sondern vor allem auch Mikroorganismen, die für die Atmung der Ozeane verantwortlich sind, trifft: Sie nehmen normalerweise Kohlendioxid aus der Atmosphäre auf und verwandeln es in Kohlenstoff, ähnlich wie die Pflanzen. Wenn der Ozean nicht mehr atmet, kippt das Meer um – dann haben auch wir Menschen kaum mehr Überlebenschancen.

Das Ziel von David Hettich ist es, mit seinem neuen Vortrag, Bildband und Film eine breite Öffentlichkeit für die Ozeane, die artenreiche Unterwasserwelt und deren Schutz zu begeistern. Noch nie zuvor gab es im deutschsprachigen Raum eine umfassendere Live-Reportage über die Schätze der Weltmeere und wer den jungen Fotografen einmal erlebt hat, wie er auf der Bühne von seinen Abenteuern und Begegnungen mit Haien, Walen und Delfinen berichtet, wird davon träumen, selbst einmal die Tiefen der Ozeane zu erkunden.

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